Beispielobjekt: Eine detaillierte Immobilienanalyse

Die Kundschaft verfügt über ein Kaufbudget von ca. 650.000€, hierin sind Förderprogramme bspw. der KFW für energetisches Sanierung oder Jung-kauft-Alt-Programme nicht inkludiert.

Der erste Termin fand nur zwischen dem Makler und den Interessenten statt. Die zum Kauf stehende Doppelhaushälfte (Baujahr 1988; unten gelb markiert), in einer eher ruhigeren Kleinstadt, verfügt laut Inserat über 198m² Wohnfläche, 356m² Grundstücksfläche und habe einen nicht mehr verhandelbaren Preis von 498.000€. Der Eheman der Eigentümerin sei verstorben, der Zweitwohnsitz in einer großen Stadt in Bayern nun ihr Hauptwohnort. Die Immobilie ist teilgeräumt, restbestehendes Inventar können „kostenlos“ übernommen werden.

Markiertes Grundstück

Gelb markiertes Grundstück mit 198m² Wohnfläche und 356m² Grundstücksfläche.

Grunderwerb und Grundstücksverhältnisse

Zunächst wurden die Grundstücksverhältnisse und Zufahrtsmöglichkeiten, inklusive Dienstbarkeiten im Grundbuch eruiert, sofern Daten hierüber vorlagen oder durch den Makler preisgegeben wurden.

Der rotmarkierte Bereich ist die im Moment nicht bewohnte Nachbarhälfte. Laut Makler haben die aktuellen Eigentümer weder Interesse an einer Selbstbewirtschaftung, noch an einem Verkauf.

Rot markierter Nachbarhälfte Bereich

Rot markierter Bereich: nicht bewohnte Nachbarhälfte.

Es wird schnell klar, dass die Hälfte der gemeinsamen Einfahrt dem Vorderhaus gehört. Die Zufahrt (blau: Eigentum des Hinterhauses) zu den zwei Fertiggaragen (1, 2) des Wunschobjektes (gelb) ist faktisch nur halb so breit wie sie sich – im Moment – unbebaut, uneingezäunt und frei befahrbar darstellt. Bei einem Eigentümerwechsel wäre eine theroetische Einzäunung (rote Sperrfläche) jederzeit möglich und juristisch nicht anfechtbar. Dies führt dazu, dass die nachträglich erstellte Garage „2“ mit den größeren Fahrzeugen der aktuellen Generation nicht mehr befahrbar wäre.

Garagen und Sanierungsbedarf

Bereits die Eingangstreppe zeigt einen Schaden durch das Anfahren mit einem KFZ und belegt, dass die Garage 2 bereits jetzt, im nicht durch einen Zaun behinderten Anfahrtsbereich, nicht gut nutzbar ist.

Die Kosten für die Sanierung der Treppe werden auf ca. 3000-5000€ geschätzt. Der Blick auf die Garagen zeigt, dass Garage 2 mutmaßlich nachträglich in das Grundstück eingebracht wurde. Zwischen den beiden Garagen zeigt sich ein Höhenversatz von mehr als 5 cm, die Garagen zeigen überall Rissbildungen, Putzabplatzungen und anderweitige Schäden. Da eine Garage nicht uneingeschränkt nutzbar ist und beide deutlich sanierungsbedürftig sind, wird ein zurückhaltender Neukaufpreis von ca. 15.000€ als Schadwert kalkuliert.

Das nachträgliche Einbringen der Garage 2 führte zu einem komplett unbenutzbaren Fenster der Gästetoilette im Anwesen, sodass hier weder Licht noch Frischluft in den Raum gelangt, was beim Begehen deutlich olfaktorisch wahrgenommen werden konnte. Zwischen der neu eingebrachten Garage und dem Wohnhaus wurden die Abstände nicht beachtet. Es entstand ein ca. 25cm breiter Spalt, der mit ungeschnittenem Efeu zuwucherte. Substanzschäden an der Fassade in diesem Bereich sind nicht auszuschließen, aber auch nicht einfach zu beheben. Da es sich generell um eine komplett ungedämmte Hausfassade handelt, bei der auch überall Putzabplatzungen zu sehen sind, ist eine komplette Außenputzüberarbeitung notwendig. Die Kosten hierfür werden auf 30.000 Euro geschätzt.

Dach und Innenräume

Die Dachdeckung stammt noch aus dem Erbauungsjahr, zwischen den Sparren befindet sich eine Zwischensparrendämmung (nicht durchgängig und ausfüllend) von max. 5cm Höhe. Gleichzeitig wurden im Innenbereich die Sparren mit Rigips verkleidet und eine Decke eingezogen.

Es handelt sich hier also um ein komplett zu erneuerndes Dach mit erheblichem Eingriff in die Raumstruktur des Dachgeschosses.

Kosten Dachdeckung: 50.000€. Kosten Energiesanierung: 50.000€. Kosten Wiederherstellung der Innenwände des Dachgeschosses mind. 60.000€.

Dachzustand

Zustand des Daches mit veralteter Deckung.

Durch die raumbegrenzenden Sparren im oberen Stockwerk wird an vielen Punkten eine Standhöhe von 1,50m unterschritten. Damit kann dieser Bereich beim Verkauf nicht vollständig in die Berechnung der Wohnfläche aufgenommen werden. Zurückhaltend wird der Raumverlust im Dachgeschoss auf 30qm geschätzt, was beim aktuellen Preis des Gebäudes ein Fehlwert von 75.000€ bedeutet.

Es zeigt sich zudem im Rigips der Decke zum Dachspitz an mehreren Stellen Wasserflecken. Dies deutet darauf hin, dass im nicht zugänglichen Dachspitz über längere Zeit Wasser in das Gebäude einsickerte. Wie das Gebälk sich darstellt, zeigt sich erst beim Abdecken. Sofern einige der Balken ausgetauscht werden müssen, können Zusatzkosten von ca. 15.000€ in Erwartung stehen.

In der detaillierten Innenbesichtigung zeigt sich, dass alle 4 Sanitärräume saniert werden müssen, da die Rohre noch aus dem BJ stammen und sich die Fliesen teilweise lösen. Hier fallen im Hauptbad der Vorbesitzer am Kamin abplatzende Fliesen auf, die auf einen Feuchtigkeitsschaden im Kamin hinweisen.

Für die Badsanierung werden im Schnitt 15.000€ angesetzt, sodass hier in Summe 60.000€ zu erwarten sind. Die zu tauschende Elektrik und weitere Rohre werden auf 30.000€ geschätzt. Sämtliche Heizkörper sind tauschbedürftig: 15.000€, sowie die Fenster ca. 30.000€

Ebenso müssen alle Bodenbeläge erneuert und die Innenwände wieder verputzt und gestrichen werden. Hier fallen abermals optimistisch geschätzt 36.000€ an.

Im weiteren Verlauf wird deutlich, dass im Innenbereich noch eine unklare Abwasserleitungssituation vorliegt, die von den Vorbesitzern nie erneuert oder überarbeitet wurde. Die Hebeanlage für die Toilette und Dusche im Keller ist nicht mehr zeitgemäß und benötigt eine Überarbeitung. Letztlich kommt noch eine neue Heizungsanlage dazu, da die aktuelle Ölheizung bei einem Besitzerwechsel nicht mehr verwendet werden darf und binnen zwei Jahre getauscht werden muss. Damit der Heizungstausch effizient erfolgen kann, ist zwingend eine komplette energetische Sanierung des Hauses notwendig.

Weil die Vorbesitzer das Gebäude im Innenbereich mit reinem Trockenbau ausgebaut haben und ein Erweiterungsbau des Hauses mit einer Außenmauerstärke von 20cm erstellt wurde, ist ein verschobener Taupunkt mit deutlichen Feuchtigkeitsschäden hinter der Trockenbauverkleidung auf der Innenseite der Außenwände zu erwarten. Insgesamt müsste das Haus komplett kernsaniert werden.

Aber auch die Außenanlage und die Drainage scheinen überarbeitungswürdig, es werden hier nochmals Aushub- und Gartenarbeiten (schwerer Zugang!) in Höhe von 30.000€ kalkuliert.

Sanierungskosten und Fazit

Zusammengefasst wäre das „stets gepflegte“, „alles durch Handerker erledigte“ „Top-Objekt“ komplett sanierungsbedürftig. Auch muss ein Großteil des Inventares der Vorbesitzerin entsorgt werden (ca. 18.000€). In Summe wären vorsichtig und nicht abschließend geschätzte Kosten für die Sanierung von mindestens 569.000€ zu erwarten gewesen, ohne etwaige nicht bekannten Schäden einzupreisen.

Den Käufern konnte hier deutlich vom Kauf abgeraten werden, da sich die Gesamtkosten des Objektes mit Kauf, Nebenkosten und Sanierung auf mind. 1,3 Millionen Euro belaufen hätten.

Bei einem aktuellen Kreditzins von 3,8%, bei einer Zinsbindung von 30 Jahren, wären hier im Monat ca. 4.100€ Abtragszahlungen entstanden – unbeachtet von schlechteren Nachfinanzierungszinsen bei unvorhergesehenen weiteren Maßnahmen.

Da laut Makler das unbewohnte Nebenhaus nur im Frostschutzmodus beheizt wird, wäre trotz energetischer Sanierung ein erheblicher Teil der Energie über die Kommunwand abgeflossen, sodass auch hier ein letzter kaufverhindernder Grund identifiziert werden konnte. Letztlich wurde eingeräumt, dass die Wohnfläche auf reiner Schätzung basiert.